Die Oma-Enkel-WG in Zeiten von COVID-19
Luca ist 14 Jahre alt und lebt in der Nähe von Lippstadt. Seine Oma Gisela ist fast 90 Jahre alt und wohnt ein paar Orte weiter. Als die Kontaktsperre wegen COVID-19 Mitte März kommt und die Schulen geschlossen werden, zieht Luca bei seiner Oma ein – um sie zu unterstützen. Seine Tante Gisela, die nach ihrer Mutter benannt ist, erzählt compass begeistert von seinem Engagement.
Oma Gisela ist pflegebedürftig und wohnt alleine in ihrem Haus. Sie erhält Pflegegeld und organisiert sich die benötigte Hilfe damit selbst. Zwei ihrer vier Kinder sowie zwei Enkel wohnen nicht weit entfernt und unterstützen sie im Alltag bei Einkäufen, Arztbesuchen und im Haushalt. Sie wechseln sich damit ab, die anfallenden Aufgaben zu übernehmen. Auch ihre beiden Kinder, die in Lübeck wohnen, besuchen sie regelmäßig über verlängerte Wochenenden. Zweimal im Jahr kommt ihre Pflegeberaterin von compass zum Beratungsbesuch, um zu besprechen, ob es weiteren Unterstützungsbedarf gibt. Beim letzten Beratungsgespräch am Telefon erzählt Tante Gisela, die ihre Mutter unter anderem betreut, unserer Pflegeberaterin, wie sich die Pflegesituation durch COVID-19 verändert hat.
Denn Oma Giselas Haus ist aktuell eine generationsübergreifende Wohngemeinschaft. Ihr Enkel Luca hat einen besonders engen Draht zur Oma, verbringt gerne die Wochenenden bei ihr. Als seine Schule wegen der Corona-Pandemie geschlossen wird und klar ist, dass Senioren vor allem durch eine Reduzierung der Kontakte nach Außen vor dem Virus geschützt werden können, beschließt er: Ich ziehe bei Oma ein und kümmere mich um alles, was anfällt und wobei sie Hilfe braucht.
Schnell werden die Aufgaben in der Familie neu verteilt: Tante Gisela erledigt weiterhin die Einkäufe, stellt diese aber nur noch in den Keller des Hauses, statt sie in der Küche zu verstauen. Das übernimmt Luca – so funktioniert die kontaktlose Übergabe. Ob Essen vorbereiten, Wäsche machen, Staub wischen, saugen oder Abwasch, Luca packt an, wo es nötig ist. „Neulich rief meine Mutter mich an und sagte zu mir: Du glaubst nicht, was Luca gerade macht. Da hat er sämtliche Regale in der Küche ausgeräumt, ausgewischt und abgelaufene Gewürze aussortiert. Außerdem hat er eine Liste gemacht, was ersetzt werden muss,“ erzählt die stolze Tante. „Ganz ohne, dass meine Mutter darum gebeten hat,“ ergänzt sie und lacht.
Zu glücklicherweise nicht regelmäßig notwendigen Arztbesuchen begleitet Tante Gisela ihre Mutter, denn dadurch, dass sie selbst Rentnerin ist, kann sie ihre Kontakte nach Außen gering halten. Selbstverständlich trägt sie dann zu ihrem eigenen und zum Schutz ihrer Mutter Handschuhe und einen Mundschutz. Anders ist das bei ihrer Schwester, Lucas Mutter, die als Polizistin vielen Menschen begegnet. Sie verzichtet seit Mitte März darauf, Mutter und Sohn zu besuchen. Kontakt halten sie aber trotzdem: Über das Telefon. Regelmäßig versorgt sie ihren Sohn mit den Lernpaketen aus der Schule, die er dann im Wohnzimmer seiner Oma bearbeitet, wenn diese ihren Mittagsschlaf hält und hinterher mit ihr bespricht. „Meine Mutter liest viel mit ihm. Das kommt ja heutzutage oft zu kurz. Luca ist ganz gut in der Schule, aber Lesen tun sie dann morgens eine halbe Stunde und nachmittags. Da liest er ihr dann vor,“ erzählt Tante Gisela. Davon profitieren beide, eben eine echte Win-Win-Situation. Auch die Enkeltochter unterstützt, indem sie einmal pro Woche das Haus putzt. Dabei achten sie stets darauf, dass sich Oma und Enkelin nicht gemeinsam in einem Raum aufhalten.
Besonders wertvoll ist für Oma und Enkel aber die Zeit, wenn Luca sich ans Klavier setzt. Oma Gisela ist großer Fan von Udo Jürgens und konnte ihren Enkel ebenfalls erwärmen. Kurzentschlossen hat er sich ein Notenbuch mit Liedern von Udo Jürgens besorgt und spielt ihr daraus vor – so bleibt er trotz des ausfallenden Unterrichts in Übung. „Meine Mutter ist dann oberglücklich,“ betont Tante Gisela. „Kind, wie Udo Jürgens“ sagt die Oma dann immer zu Luca. Fragen Mutter oder Tante Luca, ob er nicht vielleicht wieder nach Hause will, um Kontakte zu seinen Freunden besser pflegen zu können, lehnt er das entschieden ab: Nein, ich kümmere mich um meine Oma.
So genießen die beiden ihr Zusammenleben – jedenfalls so lange, bis die Schulen wieder öffnen. Dann wird Luca zu viel Kontakt zu Mitschülern und anderen Menschen, die wie er im Bus unterwegs sind, haben. Dass er dann erstmal nicht zu seiner Oma kann, haben sie in der Familie besprochen. Auch wie es dann weitergeht, ist schon klar: Tante Gisela wird bei ihrer Mutter einziehen und die Aufgaben werden wieder neu verteilt. Bis dahin freuen sich aber alle gemeinsam über die harmonische Oma-Enkel-WG.
Ihre Pflegeberaterin hat uns beim Beratungsgespräch sehr geholfen. Sie hat uns nicht nur bestens beraten, sondern auch schon im Voraus intensiv recherchiert, welche Möglichkeiten in unserer Umgebung für Pflegebedürftige und deren Angehörige bestehen.
Gerhild E., Klientin
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