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Fünf Irrtümer zu Pflege und Leistungen

Pflegebedürftig zu werden und im Alltag dauerhaft auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen zu sein, ist für viele Menschen ein beunruhigender Gedanke. Gerade in jüngeren Jahren wird dieser gerne beiseitegeschoben. Irgendwann im Leben werden aber die Allermeisten mit drängenden Fragen nach Hilfe- und Pflegebedarf im Alltag konfrontiert; für sich selbst, Eltern, Partner*innen, Freunde oder Angehörige. Wer sich nicht bereits ausgiebig über Pflegethemen informiert hat, erliegt schnell falschen und unrealistischen Vorstellungen. Wir erläutern fünf Irrtümer zu Pflegethemen und deren Leistungen.

1. Pflegebedürftigkeit betrifft mich nicht, sondern nur alte Menschen!

Das kann so sein, muss es aber nicht! Alter und Lebenserwartung der Deutschen nehmen zu und somit wächst auch die Zahl derer, die pflegbedürftig werden. Pflegebedürftigkeit meint, aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigung(en) im Alltag auf Hilfe angewiesen zu sein. Das betrifft nach neuesten Angaben (2019) über vier Millionen Bundesbürger*innen von denen rund 80% zu Hause durch pflegende Angehörige versorgt werden. Die Pflegestatistik weist laut Statistischem Bundesamt etwa ein Drittel der Pflegebedürftigen in Deutschland, die Pflegegeldleistungen erhalten, als hochbetagt aus; ca. 30% dieser Pflegebedürftigen, also knapp über eine Million Bürger*innen, sind jünger als 70 Jahre alt. Die Zahlen werden durch Befragung ambulanter und stationärer Pflegeeinrichtungen und durch die Angaben der Bundesverbände der Pflegekassen ermittelt.

Auch wenn die Chance, pflegebedürftig zu werden, statistisch betrachtet mit zunehmendem Alter deutlich steigt, ist auch in jungen Jahren keine Person vor plötzlich auftretenden Krankheiten, Unfällen, einer Behinderung, gesundheitlichen Einschränkungen oder unvorhergesehenen Ereignissen geschützt. Es lohnt vernünftigerweise also bereits in jüngeren Jahren, sich über eine mögliche Pflegebedürftigkeit und zu den Fragen nach der Versorgungsplanung präventiv Gedanken zu machen. Was tun, wen der Ernstfall eintritt? Wer kümmert sich um mich? Bin ich ausreichend versichert? Verfüge ich über hilfreiche rechtliche Absicherungen, z.B. eine Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung? Die Pflegeexpert*innen von Pflegeberatungen, z.B. von compass, die Pflegestützpunkte, Pflegekassen und Versicherungen, sowie Verbraucherzentralen informieren Ratsuchende und Interessierte umfassend rund um das Thema Pflege und beantworten ihre Fragen.

2. Wenn ich pflegebedürftig werden sollte, dann kommt die Pflegeversicherung/Pflegekasse für alle meine entstehenden Kosten auf!

Davon kann nicht ausgegangen werden, denn Pflege ist teuer! Grundsätzlich ist jede*r Krankenversicherte, ob gesetzlich oder privat, auch automatisch in der gesetzlichen Pflegeversicherung pflichtversichert. Wer Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten möchte, muss voraussichtlich länger als sechs Monate auf Unterstützung und Hilfe im Alltag angewiesen sein, und benötigt einen durch  medizinische Gutachter*innen festgestellten Pflegegrad. Für zeitlich kürzere Fälle springt gegebenenfalls die Unfall- oder Krankenkasse ein. Anträge für eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) können gesetzlich Versicherte bei ihrer Krankenkasse beantragen. Privatversicherte wenden sich an ihre Krankenversicherung. Die erstellten Pflegegutachten legen eine Pflegegrad zwischen 1 – 5 fest, anhand dessen sich auch die Höhe der ausgezahlten Leistungen bemisst.

Die Qualität und das Ausmaß der individuellen Pflegesituation ist sehr unterschiedlich und orientiert sich an vielen Faktoren. Dementsprechend stellen sich Fragen der Finanzierung: Wird der*die Pflegebedürftige zu Hause von Angehörigen oder in einer Einrichtung gepflegt, und sind technische Hilfsmittel notwendig? Wie ist die eigene finanzielle Situation? Sind – zum Teil sehr teure – Zusatzleistungen gewünscht? Vielfach decken die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung bereits nicht vollumfänglich die entstehenden Kosten der notwendigen häuslichen oder stationären Pflege. Spezielle Versorgungswünsche führen zu einer noch größeren Deckungslücke. Sofern keine Pflegezusatzversicherung besteht, müssen entweder Leistungseinschränkungen hingenommen werden, oder es muss das Ersparte eingesetzt werden.

3. Falls ich pflegebedürftig werde, kümmert sich meine Familie, und meine Kinder sowie Angehörigen müssen für alle entstehenden zusätzlichen Kosten – die ich nicht tragen kann – aufkommen!

Darauf kann man sich nicht verlassen! Laut den Daten des Statistischen Bundesamtes werden 56% der Pflegebedürftigen zuhause von ihren Angehörigen gepflegt. Dazu kommen noch weitere 24% Versorgung durch die ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste. Es ist daher richtig, dass viele Pflegebedürftige von Angehörigen gepflegt und versorgt werden. Allerdings kann sich niemand auf die Versorgung durch Kinder oder Angehörige verlassen, und es besteht auch kein rechtlicher Anspruch darauf. Niemand darf zur Pflege von Angehörigen gezwungen werden und niemand muss sich von seinen*ihren Angehörigen gegen seinen Willen pflegen lassen. Außerdem stellt sich die Frage: Haben ihre Kinder Zeit und Gelegenheit, sich um Sie und Ihre, möglicherweise intensive, Pflegesituation zu kümmern? Sind ihre Angehörigen willens? Wie ist ihr Verhältnis? Lassen sich Beruf und Pflege für Ihre Angehörigen vereinbaren? Wirkt sich die Pflege auf die finanzielle Lage Ihrer Angehörigen aus?

Knapp ein Fünftel der Pflegebedürftigen in Deutschland ist zudem vollstationär in Pflegeheimen untergebracht. Für die Menschen in der vollstationären Pflege fallen neben den von der Pflegeversicherung zum größten Teil getragenen pflegebedingten Aufwendungen Eigenanteile und Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten der Pflegeeinrichtung an. Diese Eigenanteile sind vom Pflegebedürftigen zu zahlen. Seit dem 01.01.2022 beteiligt sich die Pflegeversicherung je nach Aufenthaltsdauer im Pflegeheim an diesen Kosten mit einem Zuschlag von fünf bis zu maximal 70% des pflegebedingten Eigenanteils. Dennoch beliefen sich im Januar 2022 die bundesweit durchschnittlichen Eigenanteile auf ca. 2.179 Euro.

Im Rahmen des Elternunterhaltes können unterhaltsverpflichtete Personen zur (teilweisen) Mitfinanzierung der Eigenanteile der*des Pflegebedürftigen herangezogen werden. Allerdings ist dieser Anspruch an Bedingungen geknüpft. Wenn die bestehenden Leistungen aus der Pflegeversicherung für die notwendige Versorgung nicht ausreichen, oder der*die Pflegebedürftige über kein eigenes, relevantes Einkommen und/oder Vermögen verfügt und die Kinder darüber hinaus finanziell leistungsfähig sind, kann ein sogenannter „Elternunterhalt“ fällig werden. Seit dem 01.01.2020 ist laut Angehörigenentlastungsgesetz eine Heranziehung Unterhaltsverpflichteter aber erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von über 100.000 € möglich, wenn die pflegebedürftige Person Leistungen entsprechend der Sozialhilfesätze bezieht. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, geht der Unterhaltsanspruch von den Kindern vollständig auf den Sozialhilfeträger, also den Staat, über.

4. Im Falle der Pflegebedürftigkeit bekomme ich immer einen Platz in einem Pflegeheim, oder eine (voll-) stationäre Versorgung!

Darauf haben Sie keinen Anspruch! Pflegeheime sind bundesweit häufig vollständig belegt, haben lange Wartelisten und müssen darüber hinaus auch im Rahmen der eigenen finanziellen Möglichkeiten bezahlt werden können. Die dafür fälligen Beträge können sich sehr schnell im vierstelligen Eurobereich pro Monat bewegen. Viele Bundesbürger*innen und/oder deren Angehörige können dies nicht leisten. Gemäß den Nöten und Sorgen, die gerade bei einer plötzlich eintretenden Pflegesituation für Sie und Ihre Angehörigen aufkommen, kann niemand auf die Aufnahme und Unterbringung in einem „Wunschpflegeheim“ pochen oder darauf vertrauen. Vielen Betroffenen bleibt nur die Versorgung und Unterstützung durch pflegende Angehörige oder ambulante Pflegedienstleister*innen. Um diese möglichst optimal zu gestalten, empfiehlt sich das Gespräch mit einer Pflegeberatung.

5. Im Falle einer Pflegebedürftigkeit werden die Zahlungen der Pflegeversicherung mit meinen Rentenansprüchen verrechnet.

Das stimmt nicht! Bei einer eintretenden Pflegebedürftigkeit werden ihre Rentenansprüche nicht gekürzt. Zum Beispiel bei der Zahlung des Pflegegeldes handelt es sich um eine sozialrechtliche Leistung, welche mit Ihrer Rentenzahlung nichts zu tun hat.

Bei weiteren Fragen zu Pflegeleistungen oder auch bei Fragen rund um die individuelle Pflegesituation sollte man sich an eine unabhängige Pflegeberatung wenden. Diese unterstützt dabei, die passende Versorgung für die jeweilige Situation zu finden. Die Pflegeberater*innen von compass sind bundesweit tätig und kennen das regionale Versorgungsangebot. Alle Ratsuchenden können sich montags bis freitags von 8-19 Uhr sowie samstags von 10-16 Uhr an die compass pflegeberatung wenden. Die kostenfreie Rufnummer lautet 0800 – 101 88 00.

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