Wenn Enkel ihre Oma pflegen
In Deutschland gibt es rund 3,4 Millionen Pflegebedürftige. Gut drei Viertel von ihnen werden zu Hause versorgt – die Hälfte ausschließlich durch ihre Angehörigen. Die Angehörigen bilden somit den größten Pflegedienst Deutschlands. Einer der pflegenden Angehörigen ist Tim. Er ist 29 Jahre alt und pflegt seine Oma seit dem Tod seines Opas. Im Gespräch mit Vanessa Radatz von compass berichtet er von den täglichen Herausforderungen und warum er diese Aufgabe gemeinsam mit seinem Bruder trotzdem sehr gerne übernommen hat.
Seit wann ist deine Oma pflegebedürftig?
Dass sie sich nicht alleine versorgen kann, war uns vor dem Tod unseres Opas gar nicht klar. Bevor unser Opa vor anderthalb Jahren verstorben ist, war noch alles ganz gut. Uns war klar, dass sie dement ist. Aber uns war nicht klar, dass sie halb blind ist. Sie hat uns zwar immer die Speisekarte vorlesen lassen, aber wir dachten: Ist halt die Oma, der liest man netterweise die Karte vor. Dann haben wir jedoch festgestellt, dass sich Opa um alles gekümmert hatte, wofür sie ihr Augenlicht brauchte – die Tür aufschließen, Auto fahren etc. Wenn sie die Tür nun selbst aufschließen wollte, versuchte sie mit den Fingern das Schlüsselloch zu ertasten. Wir haben dann mit ihr entschieden, dass sie ihre Augen lasern lässt. Damit hat sich ihr Leben um 180° gedreht.
Wie kommt es, dass du und dein Bruder die Pflege eurer Oma übernommen habt?
Meine Familie ist hat schon ein paar Schicksalsschläge verkraften müssen. Meine Mutter ist seit 2010 schwerbehindert. Mein Vater kümmert sich um sie. Dementsprechend sind wir die Einzigen in der Familie, die unsere Oma pflegen können. Mein Bruder und ich machen das aber auch gerne, weil sich mein Opa und meine Oma auch seit unserer Kindheit um uns gekümmert haben. Da war es für uns klar, dass wir das auch zurückgeben wollen.
Das war also leider nicht das erste Mal, dass ihr mit dem Thema Pflege konfrontiert worden seid. Habt ihr euch dadurch etwas vorbereitet gefühlt?
Mit dem Tod meines Opas hat keiner gerechnet, deswegen waren wir null vorbereitet. Ich wusste durch meine Mutter ein bisschen, wie die Pflege abläuft, weil sie ja schon jahrelang Pflegeprozesse durchlaufen hat. Dadurch wussten wir grob, was unser Vater macht, um sie zu pflegen. Aber wir mussten uns komplett durch alles durcharbeiten, durch Anträge, Pflegegelder, Vollmachten und vieles mehr. Mein Papa konnte uns bei kleinen Fragen helfen, aber wir wollten ihn nicht mit hineinziehen, sondern es alleine schaffen. Das hat bisher auch ganz gut geklappt.
Wie hat sich dein Alltag dadurch verändert?
Man denkt vielleicht, die Oma zu pflegen, das geht so nebenbei, aber es ist eine zusätzliche Sache, die mein Bruder und ich in unserem Leben haben. Ich spreche mit meinem Bruder ab, wer an welchem Tag hinfährt. Wir versuchen uns die Zeit so einzuteilen, dass jeder möglichst gleich viel Zeit bei Oma verbringt, weil wir auch selbst wissen, dass wir beide natürlich noch ein Leben außerhalb der Pflege haben. Wir sind beide berufstätig, engagieren uns sozial, machen Sport und haben daneben noch Freunde und tausend andere Sachen, um die man sich kümmern muss. Es ist gar nicht so einfach, sich Zeit für sich selbst freizuschaufeln. Doch es ist wichtig und irgendwie funktioniert das bisher auch ganz gut.
Macht es im Pflegekontext für euch einen Unterschied, dass ihr noch jung seid? Bemerkt ihr das?
Klar ist das ungewöhnlich. Ich habe bisher auch nur von älteren Menschen gehört, die ihre Eltern pflegen. Aber mir ist es wichtig, meiner Oma das zurückzugeben, was sie uns in der Kindheit und Jugend mitgegeben hat. Ich fühle mich genauso verantwortlich, als wenn ich 20 Jahre älter wäre. Deswegen war es für uns klar, dass wir sie pflegen. Sie ist auf die Hilfe angewiesen und ohne uns wäre es schwierig für sie.
Gibt es Punkte, an denen ihr euch Unterstützung wünscht?
Wir hätten vielleicht eine Beratung, wie compass sie anbietet, in Anspruch nehmen sollen, statt uns im Internet alles selbst anzulesen. Das war auf jeden Fall anstrengend und zeitraubend. Den ganzen Papierkram finden wir auch beide nicht toll. Damit haben wir so manche Nacht zugebracht, auch, um Omas Finanzen zu regeln. Man muss ja erst einmal in einem fremden Haushalt in 18 verschiedenen Schränken alle Dokumente finden und ordnen. Das war sehr anstrengend, bis wir uns einen Überblick verschafft haben und alles ins Rollen kam.
Das komplette Interview lesen Sie auf unserer Webseite.
Weiterführende Informationen:
Destatis zu pflegebedürftigen Personen: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/_inhalt.html
Informationen zu Hilfe & Orientierung im Pflegefall:
www.compass-pflegeberatung.de/beratungsangebote/unser-beratungsspektrum
Bilder:
Tim Konow
Bildunterschrift: Angehörige sind der größte Pflegedienst in Deutschland. Tim pflegt seine Oma und berichtet im Interview mit compass von den Herausforderungen, die das mit sich bringt.
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Zu Hause pflegen
Bildunterschrift: Gut drei Viertel der 3,4 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause gepflegt – die Hälfte von Ihnen ausschließlich durch ihre Angehörigen.
Copyright: compass private pflegeberatung
Hintergrund:
Die compass private pflegeberatung berät Pflegebedürftige und deren Angehörige telefonisch und auf Wunsch auch zu Hause gemäß des gesetzlichen Anspruchs aller Versicherten auf kostenfreie und neutrale Pflegeberatung (§ 7a SGB XI). Die telefonische Beratung steht allen Versicherten offen, die aufsuchende Beratung ist privat Versicherten vorbehalten. compass ist als unabhängige Tochter des PKV-Verbandes mit rund 500 Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern bundesweit tätig.
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